Marlies Sell (Mitte) und ihre Kollegin Hannelore Rüger. Rechts Dr. Volker Punzel.

Marlies Sell (1959 - 2023)
Nachruf

Die Leiterin des Bereichs "Brandenburgica" in der Landesbibliothek Potsdam weilt seit einigen Tagen nicht mehr unter uns. Sie wurde nur 64 Jahre alt. Ihr Tod kam für alle, die Marlies Sell nahestanden, völlig überraschend. Und noch ist es uns und ihnen nicht gelungen, die furchtbare Wahrheit zu verarbeiten - wir werden Marlies im Leben nie wiedersehen.

Marlies Sell strahlte eine Herzlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit aus, die jeden Menschen mit Empathie ansprach und ihn für sie einnahm. Fachlich interessiert, aber auch an Persönlichem, konstruktive Ideen beisteuernd und bis zum höchsten Grade engagiert; das war sie ebenfalls.

In den 1990er Jahren lernten wir uns kennen, durchlitten gemeinsam Tiefen und freuten uns über Erfolge. Die "Potsdamer Geschichtsbörse", die fünzehn Jahre in Potsdam erfolgreich durchgeführte Messe der Heimat- und Geschichtsvereine des Landes Brandenburg, war ohne Marlies Sell nicht denkbar. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Hannelore Rüger vertrat sie die Landesbibliothek Potsdam und insbesondere den von ihr verantworteten Bereich der "Brandenburgica". Und sprach mir Mut zu, wenn ich mutlos war. Verzweifelt angesichts des von offizieller Seite gehandhabten Umgangs mit den Tausenden ehrenamtlich im Land Brandenburg Geschichtsarbeit leistenden Frauen und Männern.
Von mir verfasste Publikationen fanden Eingang in den Bestand der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam. Marlies, dafür danke ich Dir jeden Tag. 

Die Verantwortung, die sie mit der Leitung der "bedeutendsten Sammlung zur Geschichte des Landes Brandenburg" übertragen bekam, hatte Marlies Sell verinnerlicht und wehrte sich gegen Versuche, diese Bedeutung herabzusetzen.
Sie suchte Harmonie und Ausgleich.
Doch das Kulturministerium des Landes Brandenburg als auch die Leitung der Stadt- und Landesbibliothek, so mein Eindruck, hätten mehr tun können, um ihr und allen an der Geschichte Brandenburgs Interessierten die Sorgen hinsichtlich der Zukunft der "Brandenburgica" und der Landesbibliothek zu nehmen.

Es war Marlies anzusehen, wenn etwas an ihr nagte. Sosehr sie Anteil am Schicksal der ihr nahestehenden Menschen nahm, an sie selbst kam man in einer solchen Situation kaum ran.
Als wir uns vor Monaten zum letzten Mal sahen, merkte ich, dass sie wieder etwas umtrieb. Es tat weh, zu sehen, wie es in Marlies arbeitete, aber nicht in der Lage zu sein, ihr aus dem Tal, in das sie sich hineinbewegte, herauszuhelfen.
Wie oft mussten wir das schon feststellen? Und wie oft werden wir künftig diese Machtlosigkeit spüren!

Optimismus und Hoffnungen, vermutlich auch die Kraft, sich weiter den Anfechtungen des Lebens zu stellen, waren irgendwann aufgebraucht. Geist und Körper versagten schließlich den Dienst.
Und lassen uns mit der Trauer um Marlies Sell allein.

Einer Trauer, die kurz nach ihrem Tod scheinbar nicht zu bewältigen ist. Aber das Leben hat einen Schutzmechanismus eingebaut. Nach einer gewissen Zeit nimmt uns der Alltag wieder in Anspruch, und wir fangen an zu vergessen.

Marlies Sell braucht kein Denkmal, in Bronze gegossen oder in Stein gehauen. Wie alle, die vor ihr für die Landesbibliothek Potsdam und insbesondere für den Bereich "Brandenburgica" Verantwortung trugen und ihren Beitrag leisteten, diese einmalige Sammlung zu bewahren, verdient sie aber ein ehrendes und nachhaltiges Gedenken. Und was wäre besser geeignet, als die schriftliche Aufarbeitung der Geschichte dieser Einrichtung und ihrer Beschäftigten.

In Trauer:

Dr. Volker Punzel
GeschichtsManufaktur Potsdam;

Netzwerk Ehrenamtliche Geschichtsarbeit Land Brandenburg;

und alle, die Marlies Sell durch die fachliche Zusammenarbeit kennenlernen durften.

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